Freitag, 8. Januar 2016

Das Schaf im Garten

Setting: Wohnblock
Clues: Flügel, Schaf, Enthusiasmus, Teppichboden, Gewürznelke




Das Schaf im Garten


Etwa 500 Meter entfernt der kleinen Dreizimmerwohnung des kleinen Wohnblocks, in dem Heiner schon seit dreiundzwanzig Jahren mit seiner Frau Helga zuhause ist, stand Heiner an einem schönen Frühlingstag in seinem gut gepflegten Schrebergarten.
Er staunte nicht schlecht, denn an diesem Tag geschah etwas Außergewöhnliches.
Als Heiner, wie an fast jedem frühen Morgen, sein Gartenschloss öffnete und eintrat, stand vor ihm, friedlich den jungen Feldsalat auf dem kleinen Acker kauend, ein Schaf.
Heiner kratzte sich am Kopf. Links und Rechts bemerkte er nichts Ungewöhnliches. Die Zäune waren heil und kein Trampelpfad verriet, woher dieses Schaf den Weg in seinen Garten gefunden hatte.
Heiner war kein impulsiver Mensch und er war stets bemüht, rational an die Dinge heranzutreten.
So ging er, nachdem er seine erste Verwunderung überstanden hatte, in den Schuppen und holte ein langes Tau.
Langsam schritt er auf das Tier zu, welches zwar zu ihm aufschaute, aber sich nicht vom fressen abhalten ließ. Bereitwillig ließ es sich den Strick umlegen und zögerte auch nur kurz, als Heiner es sachte von seinem Acker führte und an dem Kirschbaum anband, welcher groß und weiß blühend neben seiner Gartenlaube stand und diese überragte.
Das Schaf begann unverzüglich innerhalb seiner Reichweite an dem saftigen, aber kurzgeschnittenem Gras zu knabbern.
Heiner beschloss erst einmal Heim zu gehen und den Fall mit seiner Frau Helga zu besprechen.

An der Eingangstür seines Wohnblocks kam ihm die Nachbarstochter entgegen. Liliane hieß sie, oder so ähnlich. Er konnte mit diesen modernen Namen nichts anfangen.
Er bemerkte, dass ein junger Mann ihr folgte.
Heiner nickte ihnen kurz zu und schritt hinter ihnen durch die Tür und klingelte im Erdgeschoss an seiner eigenen Haustür.
Helga öffnete ihm.
Heiner zog sich die Schuhe aus und sah seiner Frau hinterher, die schon wieder in der Küche verschwunden war.
Heini“ ertönte ihre helle Stimme.

Du glaubst nicht was hier heute los war! Türen haben geknallt und die Frau Franken von Oben ist ausgezogen! Aber wie! Großes Geschrei! Ihren Mann hat das alles nicht gejuckt, der hat ihr noch hinterhergerufen, dass sie Milch mitbringen soll. Kannst du dir das vorstellen? Also die Frau schrie draußen noch herum, dass sie ihn nie wieder sehen wolle und dass sie ihre Kinder abholen würde!“

Helga wirkte sichtlich erregt und sie hörte nicht einmal auf zu sprechen, als sie begann den Teppichboden im Wohnzimmer zu staubsaugen.
Heiner verstand nur etwas von „Schande“ und „Was soll aus den Kindern werden“. Er überlegte kurz den Stecker des Staubsaugers zu ziehen, um Helga endlich von seiner Entdeckung im Garten berichten zu können, aber er verwarf diese Idee und beschloss seine Frau nicht noch mehr aufzuregen.
In diesem Moment schaltete Helga den Staubsauger aus. „Meinst du, ich soll der Frau Franken mal die Karten lesen? Ich glaub das kann ihr helfen den richtigen Weg zu finden. So geht das doch nicht!“
Mmh mmh“ antwortet Heiner. Er hielt nicht soviel von dem Enthusiasmus, den seine Frau spirituellen Dingen entgegen brachte. Heiner wusste aber auch, dass Helga diese Leidenschaft brauchte. Seitdem ihr einziges Kind vor vielen Jahren bei einem Verkehrsunfall starb, war Helga nicht mehr dieselbe. Nach langer Zeit der Trauer und Depressionen fing sie an sich mit Engeln und Übersinnlichen zu beschäftigen.
Heiner schaute sich in der Stube um. Auf jedem Regal saßen sie, kleine und größere Engel für verschiedene Lebensbereiche und Bedeutungen und bei vielen waren die Flügel golden. Helga putze ihre Engel täglich und sie blinkten vor Sauberkeit und Unschuld.
Seitdem seine Frau anderen die Karten legte, war sie regelrecht aufgeblüht. Sie hatte einen kleinen Kreis von Frauen die sich regelmäßig bei Helga trafen, dort bekam sie Anerkennung.

Heiner schaute aus dem Fenster.
Da ist sie ja“ er blickte sich nach seiner Frau um. „Helga die Frau Franken sitzt draußen vor der Garage und scheint zu weinen.“
Helga schaute aus dem Fenster.
Ach das arme Ding, jetzt tut sie mir Leid! Ich werde sie herein beten!“

Und Heiner beobachtete wie seine Frau, die Frau von Oben, energisch und ohne Zulassung einer Ablehnung, in die Wohnung zog.
Frau Franken ergab sich schließlich ihrem Schicksal und fand sich kurze Zeit später am Küchentisch von Heiner und Helga wieder. Helga stellte ihr einen Becher Kaffee hin, aromatisiert mit Gewürznelke, so sollen die Sinne angesprochen und geöffnet werden.

Mädchen, Krisen im Leben haben wir alle! Es ist wichtig sich nicht verrückt machen zu lassen. Du brauchst Orientierung und einen Sinn im Leben!“
Und schon hatte Helga die Karten auf dem Tisch und setzte sich gegenüber von Frau Franken. Heiner stand weiterhin am Fenster, schaute heraus und dachte an das Schaf.

Frau Franken wusste von Helgas Tätigkeit als Kartenlegerin und Deuterin und da sie nicht wusste wohin sie könne und sollte, nickte sie schließlich und schaute auf die Hände von Helga, die gewissentlich die Karten mischte.

Schließlich legte Helga drei Stapel Karten vor sich und deckte von jedem Stapel eine Karte auf. Dann bat sie Frau Franken eine weitere Karte aufzudecken, sodass vier Spielkarten offen auf dem Tisch lagen. Heiner riskierte einen kurzen Blick.

Es lagen: Kreuz 10, Herz Dame, Kreuz Dame und die Pik 9.

Die Herz Dame, das sind Sie!“ sagte Helga bestimmt.
Die Kreuz 10 steht für eine Nachricht oder eine Neuigkeit. Etwas Überraschendes. Aber sehen Sie hier! Die Kreuz Dame! Das tut mir sehr Leid für Sie, dass bedeutet nichts gutes.“

Helga veränderte sie Reihenfolge der Karten, hinter der Herzdame legte sie nun die Kreuz 10 und dann die Kreuz Dame.

Eine schlechte Nachricht und die hat etwas mit dieser negativen weiblichen Person zu tun!“

Frau Franken stutzte und auch Heiner horchte auf.

Eine andere Frau? Betrügt er mich etwa? Dieses Schwein, kein Interesse an mir und zu einer anderen rennen?! Das hätte ich nicht von ihm gedacht, alles, nur nicht das!“

Frau Franken fing wieder an zu weinen.
Helga streichelte ihr über das Haar und deutete auf die letzte Karte.

Hier Herzchen, die Pik 9, die bedeutet, dass das Ereignis noch nicht eingetreten ist und auch erst in unbestimmter Zeit eintritt.“

Frau Franken schaute verwirrt auf die Karte.
Also hat er mich noch gar nicht betrogen?“

Helga seufzte. „Nein aber er wird, das steht leider fest.“
Heiner räuspert sich und zur großen Überraschung seiner Frau sagt er:
Oder die Frau ist ein Schaf.“

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